Aus dem Buch von Klaus Bednarz "Ballade vom Baikalsee". ".... Der Name Baikal entstammt angeblich der Sprache der Burjaten, die vor allem am Ostufer des Sees wohnen, und bedeutet Lerhabenste Schoepfung der Natur. Anderen Theorien zufolge ist das Wort dem Jakutischen entlehnt und bezeichnet ein grosses Meer. Das eine wie das andere wird dem Baikal gerecht. Mit seinen fast 25 Millionen Jahren ist er nicht nur der alteste See der Erde, sondern auch der tiefste , wasserreichste, sauberste und wohl auch geheimnisvollste. Sichelformig erstreckt er sich uber eine Laenge von 636 Kilometern - etwa die Strecke Muenchen-Hannover von Suedwest nach Nordost; seine Breite reicht bis zu 80 Kilometern, seine tiefste Stelle misst gut anderthalb Kilometer, genauer: 1.637 Meter. Er enthalt mehr Wasser als die fuenf Grossen Nordamerikanischen Seen zusammen und Tausend mal mehr als der Bodensee - ein Fuenftel des gesamten Suesswasservorrats der Erde. Amazonas, Ganges, Mississippi, Nil, Kongo, Lena, Donau, Rhein und die anderen Stroeme der Welt muessten ein Jahr fliessen, um den Baikal zu fuellen. Wuerde man seinen Inhalt ueber die gesamte Erdkugel verteilen, wuerde er diese 20 Zentimeter hoch mit Wasser bedecken. Gut ein halbes Jahrhundert koennte er allein die Weltbevolkerung mit Trinkwasser versorgen, ein nie versiegender Quell, der "Brunnen des Planeten", wie ihn die Russen nennen. Mehr als 300 Fluesse und Baeche stroemen aus den umliegenden Bergen in den See, doch nur ein einziger Fluss verlaesst ihn wieder, die maechtige Angara an der Suedspitze des Sees. |
Ohne Beispiel ist die zoologische und botanische Vielfalt des Baikal. Er birgt eine Fuelle von Raetseln, die die Wissenschaft bis heute nicht zu loesen vermochte. Waehrend in andren, ihrer geologischen Struktur nach vergleichbaren Seen, wie dem ebenfalls riesigen afrikanischen Tanganjikasee, organisches Leben bis zu einer Tiefe von etwa 200 Metern zu finden ist, tummeln sich im Baikal Lebewesen bis auf den Grund; an seinen Ufern finden sich mehr seltene oder gar einzigartige Tierarten als selbst auf Galapagosinseln, in Neuseeland oder auf Madagaskar. Insgesamt werden im Gebiet des Baikal rund 2.500 verschiedene Tier- und Pflanzenarten gezaehlt, und mehr als zwei Drittel davon gelten als endemisch, das bedeutet, sie kommen ausschliesslich hier vor. Zu den beruehmtesten gehoert die Golomjanka, ein schuppenloser, durchsichtiger Fisch ohne Schwimmblase, der lebende Junge gebiert und dessen Korper zur Haelfte aus Oel besteht. Chinesen und Mongolen, so heisst es, koennen mit dem Fleisch und dem Oel dieses Fisches mehr als Hundert Krankheiten heilen. Doch ihn zu fangen gelingt nur hoechst selten. Er lebt einzeln und in grosser Tiefe - der tiefste lebende Frischwasserfisch der Welt. Ebenfalls einzigartig ist die Epischuera, ein winziges, backenbartiges Krebstier, das nur ein bis zwei Zentimeter lang wird. Auf einem Quadratmeter der Seeoberflache wurden bis zu drei Millionen dieser Tierchen gezahlt. Der Gefrassigkeit, mit der sie Algen und Bakterien verschlingen, verdankt der See seine unvergleichliche Klarheit - ein natuerliches Filtersystem, dessen Effektivitaet nicht seinesgleichen hat. |
Zu den Raetseln des Sees gehoeren auch die Baikalrobben, die weltweit einzigen Susswasserrobben. Wie sie in den Baikal gelangt sind, ist bis heute nicht mit Sicherheit erwiesen. Die am haufigsten genannte Vermutung besagt, dass die Tiere einst vom noerdlichen Eismeer durch die Fluesse Jenissej und Angara in den Baikal gewandert sind; vereinzelt ist auch von einem geheimnisvollen unterirdischen Kanal zu lesen, der den Baikalsee mit dem Nordmeer verbinden soll. Doch weder fuer das eine noch das andere gibt es bislang eine wissenschaftlich gesicherte Bestaetigung. |